Alexandra Titze-Grabec und das Übersetzen

Die Übersetzerin Alexandra Titze-Grabec an ihrem Schreibtisch in Wien (© privat)

Man mag es sich kaum vorstellen: Wie wäre es wohl, wenn man nie die liebgewonnenen Freunde Tony T-Rex, Mia Mammut und Danny Dodo getroffen, nie Josephine Baker kennengelernt oder von den unglaublichsten Fakten der Welt gelesen hätte? Zum Glück hat da Alexandra Titze-Grabec ein Wörtchen mitzureden: Als Übersetzerin aus dem Englischen und Italienischen ermöglicht sie großen und kleinen Leserinnen und Lesern den Zugang zu tollen Büchern aus dem Ausland. Wir haben sie deshalb eingeladen, uns ein paar Fragen über ihre Leidenschaft und Arbeit zu beantworten.

Möchten Sie sich kurz vorstellen?

Ich bin Alexandra Titze-Grabec und ich lebe mit meinem Mann und meinen zwei kleinen Söhnen in Wien, wo ich auch geboren bin. Seit mehr als zehn Jahren arbeite ich als Übersetzerin aus dem Englischen und Italienischen. Nachdem ich auch Kunsthistorikerin bin, ist meine „Nische“ eigentlich die Übersetzung von kunsthistorischen Texten und Katalogbeiträgen. Daneben übersetze ich auch mit großer Leidenschaft Kinderbücher, Kochbücher und was sich sonst noch so ergibt. Kunst-Kinder-Kulinarik sind aber gewissermaßen meine Schwerpunkte.

Sie haben Kunstgeschichte studiert, danach ein Studium der Transkulturellen Kommunikation und einen Master in Übersetzen abgeschlossen. Wie kamen Sie zu diesem Ausbildungsweg?

Nach dem Schulabschluss habe ich mich ursprünglich für ein Wirtschaftsstudium entschieden, und was mich da geritten hat, ist mir und meinem Umfeld bis heute ein Rätsel, bin ich doch auf diesem Gebiet wirklich nicht selten talentfrei. Für Kunst, Kultur, Literatur, Geschichte,… konnte ich mich dagegen schon immer begeistern, und nach einem qualvollen Jahr an der Wirtschaftsuniversität, habe ich endlich den Absprung in das „Orchideenstudium“ Kunstgeschichte gewagt. Das Thema meiner Magisterarbeit habe ich dann bewusst so gewählt, dass ich dafür unbedingt für ein halbes Jahr nach Venedig ziehen musste, meine absolute Traumstadt seit Kindheitstagen. Dort habe ich eigentlich erst begonnen, mich wirklich mit der italienischen Sprache zu beschäftigen. Nach meiner Rückkehr wollte ich das erworbene Italienisch nicht gleich wieder vergessen und habe neben der Arbeit – ich war zunächst für ein internationales Auktionshaus, dann im Denkmalschutz und schließlich für ein englisches Catalogue raisonné-Projekt tätig – noch Übersetzen studiert.

Was begeistert Sie am Übersetzen?

Das Spiel mit der Sprache, das Suchen nach der passenden Lösung, das Finden von genau der Formulierung, die dem Ausgangstext am ehesten entspricht, ihm gerecht wird. Der Augenblick, wenn es „Klick“ macht, und das Ganze sich fügt. Ja, und auch die Macht, die man als Übersetzerin hat, mit einer Wortwahl dem Text auch ein wenig den eigenen Stempel aufzudrücken. Denn wenn zehn Übersetzer:innen ein und denselben Satz übersetzen, wird es mit Sicherheit keine zwei gleichen Übersetzungen geben. Außerdem darf ich mich mit so vielen unterschiedlichen Themenbereichen beschäftigen und lerne dabei die skurrilsten Dinge – der gesamte Übersetzungsprozess der „Enzyklopädie der unglaublichen Fakten“ war ein einziges Aha-Erlebnis!

Klar, manchmal übersetze ich auch furchtbar langweiliges Kauderwelsch, aber auch da versuche ich, im Rahmen meiner Möglichkeiten, den Text dem Publikum zugänglich zu machen, zu erschließen. Und am liebsten übersetze ich Texte, bei denen ich kreativ, schöpferisch im besten Sinne des Wortes, werden kann. Ich empfinde eine unglaubliche Freude dabei, wenn ich eine überzeugende Entsprechung für ein Wortspiel finde oder einen lustigen Namen für eine Figur erfinden kann – wie das bei den Büchern um Tony T-Rex, Mia Mammut und Danny Dodo der Fall war.

Was ich am Übersetzen besonders schätze, das ist der Zusammenhalt unter den Kolleg:innen. Die meisten von uns verbindet die Leidenschaft für diesen Beruf, oder besser diese Berufung, und ich habe selten so viel Hilfsbereitschaft, Loyalität und Austausch erlebt, wie unter den Vertreter:innen dieses in der öffentlichen Wahrnehmung oft so vernachlässigten Berufsstandes.

Wie gehen Sie beim Übersetzen eines Buches vor? Gibt es Rituale, eine bestimmte Vorgehensweise, einen Übersetzerinnenalltag?

Bei den Kinderbüchern, die ich für Seemann Henschel übersetze, drucke ich mir zunächst das Original-PDF in Farbe aus, damit ich den Überblick behalte. Dann gehe ich einfach chronologisch vor, indem ich den Text einmal von vorne bis hinten durchübersetze. Stellen, bei denen ich unsicher bin oder zu denen mir noch keine gute Lösung einfällt, markiere ich farbig. Oft steht man einfach auf dem sprichwörtlichen Schlauch und beim zweiten Durchgang hat man die Lösung sofort parat. Meist müssen gleich zu Beginn eines Projektes einige Seiten für die Verlagsvorschau übersetzt werden, was eine Herausforderung ist, da man noch nicht wirklich in der Materie drinnen ist, das Ganze aber schon wie aus einem Guss wirken soll.

Mein Alltag wird zu einem guten Teil von meinen Kindern bestimmt. Sind alle in Kindergarten und Schule versorgt, arbeite ich am Vormittag fünf bis sechs Stunden konzentriert. Der Nachmittag gehört dann meinen Kindern und erst gegen 21 Uhr sitze ich wieder an meinem Schreibtisch und arbeite noch bis ca. Mitternacht. Was nie fehlen darf, sind guter italienischer Kaffee und Wasser, selbstredend in einer mundgeblasenen Karaffe aus dem Caffé Florian in Venedig. 🙂

Auch auf dem Schreibtisch einer Übersetzerin geht es bunt zu (© privat)

Von Kinderbuch bis Kunstband: Inwiefern unterscheidet sich das Vorgehen beim Übersetzen unterschiedlicher Genres?

Das unterscheidet sich zum Teil schon sehr, da die meisten kunsthistorischen Texte ja wissenschaftliche Fachtexte sind, die oft mit sehr viel Recherchearbeit verbunden sind und auch einmal einen Besuch in der Bibliothek erforderlich machen. Die Formulierungen sind zumeist komplexer und die Übersetzung damit oft zeitaufwendiger.

Bei Kinderbüchern kann ich viel freier sein und mich manchmal auch weiter vom Ausgangstext entfernen. Dafür müssen diese Übersetzungen „reifen“, ich kann sie nicht einfach durchübersetzen und am nächsten Tag abgeben. Eine Übersetzung muss erst einmal ein paar Tage liegen, damit ich sie mit frischem Blick und ein bisschen Abstand noch einmal überarbeiten kann. Die besten Formulierungen fallen mir ja dann doch unter der Dusche, bei der Gartenarbeit oder in der Straßenbahn ein.

Sie übersetzen Bücher aus dem Englischen und Italienischen. Was fasziniert Sie an diesen beiden Sprachen?

Zunächst einmal ist es in beiden Sprachen tatsächlich der Klang. Britisches Englisch oder Italienisch zu hören, macht mich einfach glücklich. Mit Englisch war ich schon von Berufs wegen ständig in Kontakt, denn ich habe viele Jahre für britische Unternehmen gearbeitet, das prägt natürlich. Mit beiden Sprachen verbinde ich zudem jeweils eine ganz bestimmte Kultur und Lebensart, aber auch eine bestimmte Art von Humor, und damit meine ich nicht nur den berühmten britischen Humor, der mir persönlich sehr liegt, sondern auch den ein wenig schalkhaften italienischen Humor, eine feine Ironie, die man in italienischen Texten oft findet.

Mit Blick auf die vielen Werke, an denen Sie bereits gearbeitet haben: Gab es Bücher, die Ihnen beim Übersetzen besonders viel Spaß gemacht haben? Oder gab es auch solche, die für Sie eine größere Herausforderung darstellten?

Ich übersetze sehr gerne Texte, bei denen ich in fremde Welten eintauchen kann, sei es nun im Bereich Fotografie oder Malerei, Natur oder Kulinarik, Kinderbücher oder Reiseberichte. Besonderen Spaß machen mir aber auf jeden Fall die Kinderbücher, da kann ich sprachlich und kreativ aus dem Vollen schöpfen.

Eine besondere Herausforderung im vergangenen Jahr war die Übersetzung eines autobiografischen Erotikratgebers aus dem Italienischen, nicht nur aufgrund der komplexen Sprache und der vielen Wortspiele, sondern vor allem wegen des recht expliziten Vokabulars. Da immer den richtigen Ton zu treffen, war tatsächlich eine Gratwanderung.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft? Womit wollten Sie schon immer einmal arbeiten?

Mehr Anerkennung und Sichtbarkeit für unseren Beruf und eine angemessene Bezahlung, denn viele von uns arbeiten tatsächlich am Existenzminimum. Ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung ist dabei die Kampagne #NameTheTranslator, die es sich zum Ziel gesetzt hat, Übersetzer:innen mehr Sichtbarkeit zu verleihen, sei es nun in Rezensionen oder auf dem Buchumschlag. Auch die Initiative von Seemann Henschel, all die Menschen, die an einem Buch beteiligt sind, in den Vordergrund zu rücken, finde ich sehr schön und äußerst begrüßenswert!

Ganz persönlich wünsche ich mir auch weiterhin ein so buntes Potpourri an Themen und Genres, und wenn ich ganz unverschämt sein darf, einmal einen richtig dicken Wälzer, egal ob aus dem Englischen oder dem Italienischen, am liebsten einen historischen Roman, einen lustigen Krimi oder eine fünfbändige Familienchronik!

Die Motivation darf bei der Arbeit nicht zu kurz kommen (© privat)

Hier geht es zur Website von Alexandra Titze-Grabec.