Das bildnerische Kreativteam hinter der krassesten Bronzezeit-Pizza

Die Illustratorin Marie Geissler an ihrem Arbeitsplatz in Berlin

Die Grafikerin Barbara Hinz arbeitet von einem Gemeinschaftsbüro in Leipzig aus.

Im März 2021 erschien unser Kinderbuch „Auf der Jagd nach der krassesten Pizza der Bronzezeit. Die Geheimnisse der Himmelsscheibe von Nebra. Dusty Diggers-Geschichte Nr. 1„, geschrieben von Silke Vry. Das Buch entführt Kinder in die Bronzezeit und erzählt von der Jagd nach einem millionenschweren Schatz: Über 3000 Jahre lag die goldverzierte Himmelsscheibe tief vergraben und wurde dann wiederentdeckt.

Es ist der Auftakt zu der Buchreihe „Dusty Diggers“, die junge Leser:innen für Archäologie begeistert. Illustriert wurde das Buch von Marie Geissler, gestaltet von Barbara Hinz. Im Laufe des Buchprojektes wurden die beiden zu einem beeindruckenden Kreativduo, sodass uns die Arbeit mit den beiden ganz besonders Spaß gemacht hat. Hier ein paar Fragen an die zwei:

Möchtet ihr euch kurz vorstellen?

Barbara: Ich bin Barbara Hinz, studierte Diplom-Kommunikationsdesignerin und wohne in Leipzig. Seit über einem Jahr arbeite ich als BureauBara selbständig als Kommunikations- und Grafikdesignerin und teile mir ein Studio mit anderen Kreativschaffenden in Lindenau. Bevor ich vor zweieinhalb Jahren nach Leipzig kam, lebte ich nach meinem Abschluss in Lissabon und arbeitete dort in einem kleinen Grafikdesignstudio. Hier verfestigte sich meine Leidenschaft für Grafik und Typografie. Mit meinem erlerntem Wissen über inhaltlich-gestalterische Konzeption und meiner Leidenschaft für harmonische Gestaltung, durfte ich die gestalterische Reise der Dusty Diggers mit bestreiten.

Marie: Hallo, ich bin Marie Geissler, habe an der Bauhaus-Universität in Weimar und in Valencia (Spanien) Visuelle Kommunikation studiert und arbeite seit über 10 Jahren freiberuflich als Illustratorin für verschiedene Verlage. Mein Atelier teile ich mir mit anderen Kreativen aus verschieden Bereichen in Berlin Kreuzberg, das finde ich sehr inspirierend. Mein Zuhause teile ich mir mit meinem Partner und unseren beiden Söhnen, durch die ich immer wieder neue Perspektiven auf die Welt und auch auf Bücher für Kinder gewinne. Ich liebe es, mich intensiv in spannende Themen einzuarbeiten, und war gleich begeistert, als Caroline Keller, unsere Lektorin, mich fragte, gemeinsam mit der Autorin Silke Vry, die Geschichte um die Himmelsscheibe von Nebra für Kinder zu erzählen. Es sollte der erste Band der neuen Buchreihe „Dusty Diggers“ werden, für die Barbara und ich gemeinsam eine visuelle Sprache entwickeln durften.

Wie beschreibt ihr euren Stil in 3 Worten?

Barbara: konzeptionell, detailverliebt und bold

Marie: liebevoll, schräg, charmant

Marie, du hast als Illustratorin an dem Buch gearbeitet, Barbara, du als Gestalterin. Würdet ihr unseren Leser:innen beschreiben, was eure Aufgaben konkret beinhalten?

Marie: Ich bekomme den lektorierten Text von Barbara ins Layout gesetzt, und Barbara macht Vorschläge wo Illustrationen gut hinpassen würden und setzt erstmal farbige Flächen dahin. Wenn mir das gefällt, zeichne ich für die Stelle die Illustration, manchmal muss ich dafür auch nochmal recherchieren, zum Beispiel, wie sah kurz um die Jahrtausendwende die deutsche Polizeiuniform aus, manchmal nutze ich dann die historische Vorlage oder in manchen Fällen ändere ich auch Dinge bewusst. Wenn mir dann im gesetzten Text Stellen auffallen, die ich unbedingt zeichnen möchte, weil es ein tolles Bild ergibt, spreche ich mich mit Barbara nochmal ab. Auf jeden Fall macht es totalen Spaß mit Barbara gemeinsam Ideen zu spinnen.

Barbara: Zu Beginn des Projektes ging es zunächst darum, mit der Lektorin Caroline Keller, der Autorin Silke Vry und Marie das grafische Grundkonzept zu entwickeln und die Struktur der Geschichte herauszuarbeiten. Da es ja viele Stationen und vor allem Akteure gibt, welche die Geschichte des Buches beleben, kam die Idee, die Kapitel nach den Protagonist:innen und deren Rolle in der Geschichte zu gliedern. So beginnt also jedes Kapitel mit einer Art Steckbrief der relevanten Personen. Darauf folgten das Design des Reihenlogos, die Festlegung der Schriften, Farbräume und des Illustrationsstils.

Farblich wollten wir uns an ein paar Grundfarben orientieren, die sich vor allem bei den Illustrationen durch das Buch ziehen. Ausgangspunkt hierfür war die Hauptdarstellerin des Buches: Die Himmelsscheibe von Nebra. Somit umfasst der überwiegende Farbraum ein dunkles Türkis mit einem satten Gelbton, die wir beide vom Bronze der Scheibe und den Sternen darauf abgeleitet haben.

Nachdem der grafische Stil und die Wahl der Schriften getroffen wurde, habe ich die Inhalte gesetzt und gemeinsam mit den Anderen überlegt, an welchen Stellen die Inhalte mit welchen für Illustrationen untermalt werden könnten. Ganz am Ende war es dann an mir, das Buch zu einem druckfähigen Produkt zu machen.

Barbara Hinz begutachtet Skizzen in der Coverentwicklung.

Marie, du hast der krassesten Pizza der Bronzezeit eine illustrierte Form gegeben und den Räubern, Hehlern und Wissenschaftlern Leben eingehaucht. Wie bist du in deinem Arbeitsprozess vorgegangen? Wie verlief deine Recherche zum Thema? Und wieso sehen Ronny und Rüdiger so aus, wie sie aussehen?

Ich hab natürlich alles im Internet gelesen, was ich finden konnte und hatte ja auch eine sehr gute Textvorlage von Silke Vry. Gemeinsam mit Silke und dem Verlag haben wir uns aber entschieden, uns nicht an Äußerlichkeiten der echten Protagonist:innen zu orientieren, sondern diese neu zu gestalten. Wenn ich mir so ein perfektes Raubgräberduo selbst ausmalen darf, muss es auf jeden Fall überzeichnet sein und aus zwei guten Gegenspielern bestehen. Der eine muss groß und schlaksig und ein bisschen gutgläubig und treudoof sein, der andere gewieft, dominant, älter, mit Bierbauch und Schnurrbart, er soll ein gerissener Typ mit Erfahrung sein. So kam es zu Ronny und Rüdiger, wie sie im Buch jetzt sind.

Marie Geissler zeichnet die Illustrationen des Buches mit Tusche.

Barbara, du hast das Buch mit deiner grafischen Expertise in Form gegossen. Was war für dich besonders spannend in der Umsetzung des Projektes? Welche typografischen Besonderheiten gibt es bei der Gestaltung eines Kinderbuches, speziell auch bei „Nebra“?

Barbara: Eine der ersten Infos beim Briefing zum Buchprojekt „Dusty Diggers – Auf der Jagd nach der krassesten Himmelsscheibe von Nebra“ war: Es soll kein klassisch-SCHÖNES Kinderbuch werden. Mein erster Gedanke daraufhin war: „Oh schade, ich würde doch so gern ein richtig cooles, schönes Kinderbuch mitgestalten.“ Mein zweiter Gedanke war: „Ok, Challenge accepted“ (zwinker). Die Herausforderung für mich war also, ein witziges, unkonventionelles und informatives Kinderbuch zu gestalten, das dennoch meinen Ansprüchen eines SCHÖNEN Buches entspricht. Das hat am Ende ganz gut geklappt.

Da die Geschichte im Präteritum spielt, die Entstehung der Scheibe in der Bronzezeit aber nochmal viel weiter zurückliegt und die Kinder als „Dusty Diggers“ in der Gegenwart als Identifikations- und Rahmenfiguren auftreten, mussten wir also drei Zeitebenen verständlich zusammenführen.

Das Besondere bei der gestalterischen Konzeption zum Buch waren die vielen erzählerischen Ebenen verständlich zu verknüpfen und es adaptierbar auf mögliche Folgebücher der Reihe zu machen. Das heißt vom Reihenlogo über Cover-Konzept bis hin zur grafischen Struktur muss es für junge Leser:innen nachvollziehbar und Lust auf ein Leseabenteuer machen. Eine besondere Herausforderung spielte dabei die Wahl der Typografie. Wir wollten ein typografisches Zusammenspiel von gut lesbaren, antik anmutendem Fließtext, gepaart mit einer kindlichen, handschriftlichen Auszeichnungstypografie. Gleichzeitig, mussten die Schriften zum Illustrationsstil von Maries Arbeiten passen.

Daher haben wir hier viel getestet und probiert. Zwischenzeitlich hatten wir eine wirklich tolle Schrift gefunden, die auch in Versalien gut lesbar und sehr passend zum Stil des Buches war. Leider hatte sie nur eine Schwachstelle, der Letter S. Durch seine sehr harten eckigen Kurven, weckte dieser im Wort »Himmelsscheibe« zu stark negativ besetzte Assoziationen. Letztlich haben wir jedoch eine passende, wilde und dennoch gut lesbare Auszeichnungsschrift gefunden, welche die Leser:Innen in die Geschichte zieht.

Die Illustrationen zu einer Erzählungen zusammenfügen, das ist eine der Aufgaben der Grafikerin.

Wie kann man sich euren Arbeitsprozess vorstellen? Habt ihr euch regelmäßig abgestimmt? Wie kamen eure Ideen letztlich zusammen, auch mit Silke und den Kolleginnen im Verlag?

Marie: Wir haben uns beide für bestimmte Zeiträume verabredet, und dann sehr intensiv an dem Buch gearbeitet,  auch mit abendlichen Anrufen und einem guten Pingpong-Spiel. Und dann gab es wieder Ruhephasen für das Nebra-Projekt, wenn wir beide in anderen Projekte versunken waren. Auf jeden Fall bin ich sehr froh, über das Buchprojekt Barbara kennengelernt zu haben. Alle gemeinsam haben wir uns über Zoom-Konferenzen, Telefonate und E-Mails abgestimmt, das hat sehr gut geklappt.

Was hat euch bei der Gestaltung des Buches ganz besonders viel Spaß gemacht und was war euer größter Aha-Moment (vielleicht auch in der Geschichte über die Himmelsscheibe)?

Barbara: Besonders magische Momente bei der Umsetzung waren für mich immer die farbigen Platzhalter mit den umgesetzten Zeichnungen von Marie im Buch zu ersetzen und dabei zu sehen, wie die Geschichte zum Leben erweckt wird. Da viele verschiedene Charaktere in der Erzählung auftauchen, war es auch jedes mal spannend, die visuelle Erscheinung von diesen Persönlichkeiten aus Maries Zeichenfeder zu sehen, womit die Geschichte immer klarer und greifbarer wurde.

Marie: Mir haben die Collagen mit Photo, Tuschzeichnung und freien Farbflächen am meisten Spaß gemacht und zu sehen, wie das Buch durch die Illustrationen, die nach und nach das Buch füllten, alles miteinander verbunden hat. Und Barbara hat manchmal eingefärbte Farbflächen, die ich ihr vorher abgelegt hatte, einfach hinter Text, oder Illus gelegt, sodass die Gesamtgestaltung sehr rund geworden ist, das war immer ein schöner Überraschungsmoment, wenn ich das PDF mit den neuen Illustrationen und Farbelementen angeschaut habe. Die Himmelsscheibe finde ich total faszinierend und ich habe mich gefreut, als ich endlich verstanden hatte, wie die Markierung der Winter- und Sommersonnenwende auf der Scheibe funktioniert.

Illustration ist bei Marie Geissler analoge Handarbeit.

Bildnachweis: Alle Illustrationen und Fotos stammen von Marie Geissler und Barbara Hinz.

Instagram: @marie_c_geissler & @bureaubara