Detailliert, farbenfroh, skurril: Der Illustrator Peter Allen

Peter Allen bei der Arbeit

Das Alltägliche als eine Quelle der Überraschung und des Staunens zu betrachten: Das steht für Peter Allen im Vordergrund. Im März 2022 erschien das Kinderbuch „Atlas der außergewöhnlichen Architektur. Die unglaublichsten Gebäude, von denen du (vielleicht) noch nie gehört hast“, geschrieben von Ziggy Hanaor und illustriert von Peter Allen. In spielerisch dynamischem Stil wird darin verdeutlicht, wie vielfältig die Länder unserer Erde und die Menschen sind und wie sich diese Vielfalt im Architektonischen widerfinden lässt. Mit Sicherheit werden euch einige dieser interessanten Bauwerke unbekannt sein! Da uns Peter Allens Arbeit so fasziniert, waren wir natürlich neugierig, wie er an die Arbeit am Buch herangegangen ist und wie es in seinem Studio aussieht.

Möchtest du dich kurz vorstellen?

Ich bin in Großbritannien aufgewachsen, wo ich an der Kunstschule Illustration studierte und hauptsächlich mit Druckgrafik arbeitete, indem ich Linolschnitte mit Schablonen handkolorierte. Dies führte zur Zusammenarbeit mit einer Reihe von kleinen Verlagen und zur Veröffentlichung einer Reihe von Büchern, gedruckt mit Buchdrucktexten und schablonierten Illustrationen.

Derzeit arbeite ich hauptsächlich mit Kinderbuchverlagen zusammen, mit regelmäßigen Aufträgen für redaktionelle Arbeit. Ich nehme auch gerne an Buchmessen teil, für die ich kleine Auflagen von Druckerzeugnissen herstelle: Schablonendrucke, Akkordeonbücher, Briefmarken…

Aktuell arbeite ich auch mit der Nomad Letterpress an einer schablonierten Buchausgabe über französische Vögel, Oiseaux de France und an einem neuen Projekt mit Cicada (dem Originalverlag von „Atlas der außergewöhnlichen Architektur“) über Imperien, ihren Aufstieg und Fall…

Peter allen in seinem Studio

Wie würdest du deinen Stil beschreiben (in drei Worten)?

detailliert, farbenfroh, skurril.

Auf welche Themenbereiche spezialisierst du dich mit deinen Illustrationen?

Meistens illustriere ich Sachbücher und möchte sowohl Erwachsene als auch Kinder dazu ermutigen, das Alltägliche als eine Quelle der Überraschung und des Staunens zu betrachten. Daher werden ich häufig beauftragt, eine große Vielfalt von Themen zu illustrieren, z.B. Energie, Bauwesen, Recycling, Lebensmittel, Keime, Astronomie, die Ägypten… Die Herausforderung besteht für mich immer darin, mich für ein Thema zu interessieren, was manchmal eine ganze Menge Recherchen erfordert, bevor meine Fantasie geweckt wird.

Hast du ein Lieblingsgebäude im Buch oder eine besondere Inspiration?

Wenn ich mich richtig erinnere, war der Film „Dead Man“ von Jim Jarmusch die große Inspiration für dieses Buch. Es gibt eine Szene, in der die Hauptfigur in einem Kanu zu einem Dorf am Fluss gebracht wird, wo sie durch einen riesigen Vogelschnabel, der sich zu einer Tür öffnet, in ein hölzernes Versammlungshaus getragen wird. Diese Szene war die Inspiration für das Haus von Häuptling Waka.

Als Kind war ich von historischen Denkmälern fasziniert. Wohin auch immer wir in den Urlaub fuhren, verbrachten wir die meiste Zeit damit, Schlösser, Steinkreise oder den Hadrianswall zwischen England und Schottland zu besuchen.

Außerdem gab es einen Künstler, Alan Sorrell, der in der Nähe unseres Hauses lebte, der alle offiziellen Reiseführer zu diesen Monumenten illustrierte. Seine Kohle- und Tuschezeichnungen der Ruinen, wie sie zu ihrer Zeit ausgesehen hätten, waren sehr stimmungsvoll und enthielten eine Fülle von imaginären Details alltäglicher Aktivitäten, die die Bilder wirklich zum Leben erweckten.

Eine weitere Inspiration war die Bilderbuchreihe „This Is…“ von Miroslav Šašek, in denen er den Geist einer Stadt in vielen farbenfrohen und humorvollen Bildern einfing.

Ich habe immer gehofft, dass es eines Tages mein Beruf sein würde, um die Welt zu reisen und Orte zu zeichnen! Und schließlich finde ich Richard Scarrys Bücher wie „Things That Go“ und „What Do People Do All Day?“ beeindruckend. Wie viele informative Details er in den hellen, fast cartoonartigen Szenen unterzubringen weiß!

Skizze Chief Waka House

Koloriertes Chief Waka House

Hast du bestimmte Gebäude selbst besucht?

Nur ein paar! Casa Battlo in Barcelona und Avebury und Brighton Pavilion zu Hause in England. Wenn ich ein Thema recherchiere, das ich illustrieren möchte, schaue ich mir eine große Anzahl von Bildern durch, bevor ich einen sehr kleinen Prozentsatz auswähle, den ich als visuelle Referenz verwende.

Der Rest, der ungenutzt bleibt, enthält oft viele großartige Ideen für Bilder, die trotzdem nur selten, wenn überhaupt, in einem Buch landen. Fast alle Gebäude in diesem Buch habe ich nach langer Suche im Internet nach ‚erstaunlicher Architektur‘ entdeckt! Ich teilte mit Ziggy (Hanaor) von Cicada den Wunsch, nach Gebäuden zu suchen, die normalerweise nicht in den Top-Ten-Listen auftauchen, um auch mal Bauwerke zu repräsentieren die weniger bekannt sind. Ich denke, es war ein Teil des Spaßes, dass ich die Gebäude eben noch nicht in Wirklichkeit gesehen hatte.

Ich wurde einmal beauftragt, eine Illustration der Tower Bridge in London zu machen, und es kostete mich eine Menge Arbeit, um Fotos von allen Seiten der Brücke zu finden und für viele Abschnitte musste ich improvisieren. Als ich das nächste Mal nach London fuhr, ging ich über die Brücke und konnte endlich die fehlenden Details sehen. Ich verbrachte viel Zeit damit, Fotos zu machen, nur für den Fall, dass ich eines Tages ein weiteres Bild von ihr machen sollte!

Auch bei „Atlas der außergewöhnlichen Architektur“ musste ich verstehen, wie das Gebäude in seiner Gesamtheit aussah bevor ich den besten Standpunkt wählen konnte, um es zu zeigen. Einige der Illustrationen biegen die Regeln der Perspektive ein wenig, manchmal sogar sehr stark, damit so viel wie möglich von dem Gebäude zu sehen ist und es in den Rahmen der Doppelseite passt.

Peter Allen in seinem Studio

Welche Bauwerke haben es nicht ins Buch geschafft, die du gerne aufgenommen hättest?

Bilder von Gebäuden machen und herausfinden, wie sie von den Fundamenten aufwärts gebaut wurden,  wie das Innere mit dem Äußeren zusammenhängt, wie sich die Gebäude von der Straße zum Dach hinaufentwickeln, ist ein wichtiger und befriedigender Teil der Arbeit, die mit der Erstellung der Illustrationen einhergeht.

Gaudìs Gebäuden liegt eine Vision zugrunde, die berücksichtigt, wie jeder Zentimeter des Raums in seinen Entwurf passt, und ich hätte gerne mehr seiner Gebäude beschrieben: Die Farben, mit denen sie geschmückt sind, und die schöne Mischung aus Handwerkskunst, Keramik, Holz, Glas und Schmiedeeisen, die bei ihrem Bau verwendet wurden.

Um eine einigermaßen gleichmäßige Auswahl aus der ganzen Welt und über die Jahrhunderte hinweg zu treffen, mussten wir viel mehr weglassen, als uns lieb war. Einige der Gebäude, die uns in den Sinn kommen, sind: Das gotische Haus und der Park in Dessau-Wörlitz aus dem 18. mit Felseninsel und ausbrechendem Vulkan – ich habe einen Faible für den neugotischen Stil, das Haus ist wie ein lebensgroßes Puppenhaus und im Park gibt es eine Felseninsel mit einem explodierenden Vulkan darauf, genial!

Sir John Soane’s Museum in London – Eine außergewöhnliche Sammlung von architektonischen Artefakten aus der ganzen Welt, untergebracht in dem ebenso exzentrischen Haus des Architekten aus dem 19. Jahrhundert.

Nonsuch House an der London Bridge – ein Holzpalast, der auf der alten mittelalterlichen Brücke thront.

Das Haus von Salvador Dalí in Port Lligat, Spanien – eine Reihe ehemaliger Fischerhütten, die in ein Labyrinth aus Räumen und Gärten auslaufen, das Gaudì in einer surrealen Mischung aus traditionellen und populären Stilen erbaute.

Zwei Bilder, die letztlich nicht in die engere Wahl kamen, weil uns die Zeit davonlief: Choquequirao, Peru und der Einsteinturm, Berlin.

Vielleicht werdet ihr eines Tages den Startschuss für einen „Atlas der außergewöhnlichen Architektur Teil #2“ geben?!

Farben über Farben!

Gibt es Besonderheiten, die bei der Herstellung eines Kinderbuchs zu beachten sind?

Da ich eine lange Erfahrung mit Kinderbüchern habe, gab es eigentlich nichts, was ich in meiner Arbeitsweise anpassen musste. Außerdem sind Kinderbücher ein besonders gutes Gebiet, um als Illustrator phantasievoll zu sein. Die Thematik ließ mir freie Hand, um kreativ mit Farben und Formen zu arbeiten und Geschichten zu erzählen.

Ich habe in letzter Zeit einige der Romane von Günter Grass gelesen und bewundere, wie er die Haupterzählung mit Passagen über einen bestimmten Ort zu verschiedenen Zeiten und aus den verschiedenen Blickwinkeln der Figuren, die dort leben, belegt. Daran habe ich gedacht, als ich die Illustrationen für dieses Buch gemacht habe, um die reiche Geschichte der Gebäude in einem Bild darzustellen.

Illustration „Eagle“

Hast du während des Projekts etwas Überraschendes erlebt?

Es gab sehr viel in das Buch hineinzupacken, daher war es eine wirklich angenehme Überraschung, dass wir es bis zum Ende des Buches geschafft haben, ohne große oder kleine Pannen zu haben. Dank Ziggys umsichtiger Planung passte alles gut zusammen.

Zum Buch

Zu Peter Allens Instagram Account

English Version of the interview